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« Dieser Platz solle stets eine Weihestätte sein, kündend von der grenzenlosen Liebe und von unbändigem Stolze einer dankbaren Gemeinde gegenüber ihren gefallenen Helden. […] Anknüpfend an ein Wort Adolf Hitlers rief Pg. [Parteigenosse, d. A.] Emil Engels die Jugend auf, das Blutopfer der Gefallenen nie zu vergessen, sondern stets in Ehren zu halten und in die späteren Generationen weiter zu tragen » (zitiert aus dem Zeitungsartikel zur Denkmaleinweihung aus der « Bergischen Wacht » vom 9. November 1936).

Das Gedenkobjekt Reckenstein gehört zu den umstrittensten Denkmälern im Rheinland. Wobei sich die Kontroverse gar nicht so sehr auf das heutige Aussehen bezieht, sondern auf die Frage, ob es möglich ist, Denkmäler, die im Nationalsozialismus errichtet wurden und die eine entsprechende ns-ideologische Ausrichtung hatten, durch Veränderungen in quasi-demokratische Denkmäler umzugestalten. Wird durch die partielle Veränderung des Gedenkobjekts auch die Geschichte der Performanzen des Ortes und die Aussage des Denkmals dekonstruiert/entnazifiziert und in einem demokratischen Sinn erneuert? Dies kann exemplarisch an diesem Denkmal diskutiert werden.

Die Vorgeschichte des Denkmals reicht weit zurück. 1909 beschloss die Gemeinde, ein Einigungskriege-Denkmal zu errichten. Der I. Weltkrieg verhinderte eine weitere Beschäftigung mit dieser Idee, so dass in der Weimarer Republik eine erneute Initiative gestartet werden musste. 1924 erging an die ortsansässigen Vereine seitens des Bürgermeisters die Bitte, sich mit einer Spende an diesem Denkmal zu beteiligen. Im August 1926 sah sich der Bürgermeister, wegen der Erfolglosigkeit des ersten Versuchs, genötigt, erneut an die Vereine zu appellieren und dies zugleich mit einer Drohung zu verknüpfen. Man habe bisher immer sehr großes Entgegenkommen bei der Genehmigung von Festlichkeiten den Vereinen entgegengebracht, könne dies aber nur dann weiterhin aufrecht erhalten, wenn die Vereine « bei ihren Veranstaltungen einen angemessenen Teil des Reinertrages als Spende für die Denkmalfonds » überweisen würden. Offenbar hatte auch dieser ‘Aufruf’ nicht den gewünschten Erfolg, denn erst 1936 wurde das Denkmal eingeweiht. Allerdings konnte der spätere Denkmalplatz bereits in der Weimarer Republik erworben werden. Nach der so genannten Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde das Projekt nochmalig aufgegriffen. 1935 konnte der Bevölkerung ein Gipsmodell des geplanten Denkmals präsentiert werden. Es ist schwer vorstellbar, dass das Gipsmodell die Ideen aus der Weimarer Republik wiedergegeben hat. Zu einer Ideenfindung war man offenbar bis Januar 1933 noch nicht vorangeschritten. Der Entwurf aus der NS-Zeit stammte von den Architekten Giorgani und Säuffert. Er sah eine durchaus monumental zu nennende Gedenkanlage vor, die aufwendig einen mehrfach abgestuften Gedenkraum in der Landschaft platzierte. Konstruiert wurde eine Terrasse, die rückwärtig betreten werden musste, durch einen zentralen Treppenaufgang, der auf eine erste Ebene führte, um sodann über zwei weitere Treppenaufgänge links und rechts den eigentlichen Gedenkraum zu betreten. Dieses Konzept entsprach, auch in seiner räumlichen Dimension den NS-Vorstellungen einer Aufmarschmöglichkeit vor dem eigentlichen Denkmal. Die zweite Ebene war ihrerseits nochmals gegliedert in einen über fünf Stufen zu betretenden, unmittelbar vor dem Denkmal angelegten inneren Gedenkraum (eine Art Bühne für die Performanzen) und einen erweiterten Gedenkraum, der die Besucher fassen sollte. Zwei Farbdias aus den 1930er Jahren zeigen eine Veranstaltung an diesem Denkmal. Die zweigeteilte Gliederung des Raumes ermöglichte die Trennung in Agierende (Repräsentanten der Partei und entsprechender Formationen) und Beiwohnende (Bevölkerung). Die Besucher blickten, nachdem sie auf diese Art und Weise zu den zu Ehrenden hinaufgestiegen waren, auf das zentrale Gedenkobjekt, einer rechteckigen Steinstele, die von einem monumentalen, seine Schwingen ausbreitenden und auf einer Weltkugel stehenden Adler aus Bronze bekrönt wurde. Der Adler wurde vermutlich von Josef Pabst (1879–1950, Porträtfoto im Rheinischen Bildarchiv von 1923 von Werner Mantz) geschaffen. Unter dem Adler war eine Inschrift platziert: « Getreu bis zum Tod starben für deutsche Ehre und Freiheit », es folgten darunter die Namen der Toten des I. Weltkriegs und der Einigungskriege der Gemeinde. In den 1930er Jahren konnten die Besucher von dieser Plattform aus weit in das Land blicken. Heute ist die Anlage von Bäumen eingeschlossen, so dass der damals beabsichtigte Ausblick heute nicht mehr möglich ist.

Die Feierlichkeiten am 8. November 1936, einem Sonntag, wurden eingeleitet durch einen Aufruf zwei Tage vor der Einweihung, veröffentlicht in der « Bergischen Wacht » vom 6. November 1936. Es ist eine Art Verhaltensanweisung an die Bevölkerung. Dementsprechend lautete der Untertitel: « Eine würdige Feier verlangt Selbstdisziplin und genaue Kenntnis des Festprogramms von jedem Teilnehmer ». Detailliert wurden Handlungsanweisungen gegeben. So hatten sich die Hinterbliebenen um 2Uhr30 vor dem Jugendheim einzufinden, um dort von einem Helfer vor dem Aufmarsch auf die Ehrenplätze eingewiesen zu werden. 15 Minuten später hatten sich an gleicher Stelle die Ehrengäste einzufinden. Die Vereine sollten sich derweil in der Adolf-Hitler-Straße zum Festzug sammeln. Die « übrige Bevölkerung » hatte sich bis « spätestens 2Uhr45 » auf dem Sportplatz gegenüber dem Jugendheim einzufinden. Die SS schloss den Festzug ab, dem die Bevölkerung sodann folgen sollte. Festgelegt wurde auch, über welche Treppen die Gedenkanlage zu betreten sei. Und: « Es ist reichlich Platz vorhanden, so dass sich niemand vorzudrängen braucht; es wird vielmehr darum gebeten, der Würde der Feier entsprechend, die Plätze in größter Ruhe einzunehmen. » Die eigentliche Feier werde durch den Fahneneinmarsch eingeleitet. Das Festprogramm sah sodann vor, dass der Vereins-Vorsitzende (des Denkmalkomitees) eine Rede halten und das Denkmal der Gemeinde übergeben sollte. Der Bürgermeister der Stadt legte am Denkmal einen Lorbeerkranz nieder, gefolgt von der ersten Strophe des Niederländischen Dankgebets mit Musikbegleitung (« ohne Vorspiel »!). Dieses Gebet aus dem 16. Jahrhundert entstand vermutlich im Zusammenhang mit dem Sieg der Niederländer über die spanischen Truppen 1597. Die Nationalsozialisten setzten es sehr häufig bei Massenveranstaltungen ein. Dann sollten die Gefallenenehrung und die eigentliche Weiherede folgen, abgeschlossen durch Führergedenken und « Liedern der Nation ». Nach dem Fahnenausmarsch durfte dann auch die Bevölkerung den Ort verlassen, sollte aber auf ihren Plätzen verharren « bis zum beendeten Ausmarsch der Formationen und Vereine ». Nach der Feier gab es im « Kenntemich’schen Saale », bei « einer Stunde Marschmusik », Gelegenheit zur Aussprache. Der ‘Artikel’ schloss mit den Worten: « Es ist selbstverständlich, dass an diesem Festtage ganz Engelskirchen reichsten Fahnenschmuck anlegt ».

Der Zeitungsartikel, der drei Tage später über die Einweihung berichtete, konnte denn auch vermelden, dass « sich alles in vollkommener Disziplin » abgespielt habe. « Nicht zuletzt der Aufmarsch des Lindlarer Reichsarbeitsdienstes mit blitzenden Spaten ». Auch das Wetter spielte mit: « Novembersturm brauste über unsere Berge. […] Aber es regnete nicht. » Abweichend vom zuvor veröffentlichten Programm, wurden vor Beginn der eigentlichen Feierlichkeiten « hunderte von Brieftauben » freigelassen und vom gegenüberliegenden Hang Böllerschüsse abgegeben. Es folgte das vorgesehene Programm. In seiner Rede betonte der Bürgermeister, dass es die « vornehmste Aufgabe und Verpflichtung » der Gemeinde sei, « diese, jedem Deutschen heilige Stätte in würdigem Zustande zu erhalten ». Das konnte nicht eingehalten werden. 1959 konstatierte der Architekt Josef Orth, dass die Anlage « etwas ungepflegt » sei.

Erst Ende der 1950er Jahre begann die Gemeinde, die Gedenkanlage umzugestalten. Bis dahin muss sie, abgesehen von dem vermutlich im II. Weltkrieg eingeschmolzenen Bronzeadler, das ursprüngliche Aussehen von 1936 gehabt haben. Der Änderungsvorschlag stammt von dem bereits erwähnten Architekten Josef Orth aus Bensberg, der für die Kriegsgräberfürsorge auch die Anlagen in Eversberg (Sauerland) und Abtei Mariawald (Heimbach, Landkreis Düren) gestaltet hat. Orths Gutachten ist widersprüchlich. Einerseits kommt er zu dem Ergebnis, dass die Anlage in ihrer « aufwendigen und bombastischen Grundhaltung nicht der heutigen allgemeinen Auffassung, die dahin geht, dass eine solche Stätte würdig aber schlicht gestaltet werden sollte, ohne unnötiges Pathos » entspräche. Andererseits dürfe « aber nicht übersehen werden, dass die Anlage trotzdem einer starken Wirkung nicht entbehrt und die Proportionen der umfangreichen gemauerten Anlageteile gut sind ». Auch die landschaftliche Lage hebt er hervor, wenngleich sie durch die hochgewachsene Randbepflanzung heute « nicht zur Wirkung kommt ». Schlichter solle alles sein, aber dennoch « wirksam ». U.a. könne das erreicht werden, wenn der « Opferschalenplatz » (hierbei handelt es sich offensichtlich um den erweiterten Gedenkraum auf der obersten Terrasse) und diverse Zugänge zurückgebaut würden. Weiterhin schlug Orth vor, an der Rückwand der Gedenkanlage ein « schlankes Metallkreuz » anzubringen. Rechts und links davon sollten die Jahreszahlen der beiden Weltkriege zu sehen sein. In der Endfassung wurde aus dem schlanken Kreuz ein Eisernes Kreuz. Für die obere Terrasse schlug Orth 12 Stelen vor, auf denen die Namen der Toten und Vermissten aus dem II. Weltkrieg zu lesen sein sollten. Der Hauptausschuss der Gemeinde ergänzte im März 1960 den Vorschlag durch den Wunsch nach einer Rundplastik des Hl. Michaels. Der ausführende Künstler sollte der Bildhauer Iven aus Rösrath-Stümpen sein. Eine Idee des Bildhauers Hans von Wussow aus Engelskirchen, eine fünf Meter hohe Steinskulptur als Erdkugel, die von einer großen aufbäumenden Woge (Woge des Schicksals) umschlungen wird, als Ersatz für die Adlerstele zu errichten, wurde als « zu wuchtig » abgelehnt. Zwei Monate später modifizierte der Hauptausschuss seine ursprüngliche Entscheidung dahingehend, statt einer Skulptur des Hl. Michaels auf der Adlerstele vorderseitig eine Reliefdarstellung des Heiligen von dem Bildhauer von Wussow anfertigen zu lassen. Der Grund waren weniger künstlerische Überlegungen als vielmehr eine Kostenreduktion um 50% für die geplante Umgestaltung. Die Entscheidung für von Wussow fiel auf Grund eines Gutachtens des Kreiskulturreferenten Hermann Wamper (1911–1981, Kreiskulturreferent von 1955 bis 1971), der den Engelskirchener Bildhauer favorisierte. Im Juni 1960 beschloss der Rat der Stadt endgültig die Umbaumaßnahmen, wodurch die Anlage ihr heutiges Aussehen erhielt. Nicht nur der Adler wurde entfernt bzw. nicht mehr ersetzt, sondern auch die Inschrift und die Namen der in den Einigungskriegen und im I. Weltkrieg gefallenen Soldaten. Das Relief zeigt den Hl. Michael, der ein Schwert in seinen Händen hält und auf den unter ihm liegenden, getöteten Drachen schaut.

Die Gedenkanlage wurde nach 1945 nicht nur in Teilbereichen entnazifiziert, sondern zugleich christianisiert, ein Prozess, der auch bei nicht wenigen Bildenden Künstlern wie etwa Will Hanebal oder Adolf Wamper, die während des Nationalsozialismus und in der BRD tätig waren, zu konstatieren ist. Erstaunlich ist des Weiteren, dass die Sparmaßnahmen letztendlich dazu führten, dass die Namen der I. Weltkriegstoten (und vermutlich auch der Toten der Einigungskriege) verschwanden und die des II. Weltkriegs erst gar nicht genannt wurden. Die eigentliche Sparmaßnahme war nicht der Verzicht auf eine Skulptur zugunsten eines Reliefs, sondern das Weglassen der 12 Namensstelen für die Toten des II. Weltkriegs. Das Relief tilgte jedoch nicht nur die Namen, sondern auch die Inschrift. In Orths erstem Gutachten ist von einer Unkenntlichmachung der Inschrift nicht die Rede (auch nicht vom Entfernen des Adlers, so dass das als Beweis dafür angesehen werden darf, dass der Adler Ende der 1950er nicht mehr auf der Stele montiert war). Orth stieß sich offenbar nicht daran, obwohl schon ihr Inhalt bezogen auf den I. Weltkrieg als geschichtsklitternd (so suggeriert die Annahme, die Soldaten seien für Deutschlands Freiheit gestorben, dass das deutsche Kaiserreich einen Verteidigungskrieg geführt hatte) angesehen werden darf. Wären die Toten des II. Weltkriegs mit einbezogen gewesen, wäre die Unangemessenheit der Inschrift vollends offenbar geworden. Das Relief des Hl. Michaels deckte alle gedenkpolitischen Widersprüche zu.

Wie an diesem Beispiel gezeigt werden konnte, waren künstlerische und gar gedenkpolitische Überlegungen bei der Umgestaltung des NS-Denkmals eher zweitrangig. Hätte man mit der Gedenkpolitik aus der NS-Zeit vollständig brechen wollen, wäre eigentlich nur ein Abriss der Gedenkanlage und die Errichtung eines neuen Mahnmals in Frage gekommen. Das Ergebnis ist ein Kompromiss, der ohne Zweifel unbefriedigend ist, da die NS-Gedenkpolitik nach wie vor anhand dieser Gedenkanlage verdeutlicht werden kann, da die Umgestaltung insgesamt nur oberflächlich erfolgte. Zu konstatieren ist jedoch auch, dass zu keinem Zeitpunkt während des Umgestaltungsprozesses gedenkpolitische Überlegungen eine wesentliche Rolle spielten. Aus den Protokollen ist eine grundsätzliche Hinterfragung des NS-Denkmals nicht herauszulesen. Die von Orth festgestellte « bombastische Grundhaltung » als Gesamtaussage der Gedenkanlage wurde nicht angetastet. Schon Orths Vorschlag wies nur kleinere Korrekturen aus. Von einer Dekonstruktion der Gesamtaussage kann daher nicht die Rede sein. Der wesentliche Kern der Gedenkanlage ist nach wie vor ns-ideologisch geprägt und erkennbar. Dies kann aber auch eine Chance sein, wenn dies bei einer zukünftigen Umgestaltung mit berücksichtigt werden würde.

Hans Hesse

 

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